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„Eines der strengsten Fracking-Gesetze weltweit“ hätte der Bundestag verabschiedet, heißt es auf der offiziellen Seite der Bundesregierung, und weiter: „Kommerzielles Fracking zur Förderung von Schiefergas bleibt unzulässig. (...) Auch der Bundesrat hat dem Gesetzentwurf nun zugestimmt.“
Bereits der erste Satz ist ein Versuch, die Menschen, die in Sorge sind, über die rasant zunehmende Zerstörung der menschlichen Lebensgrundlagen an der Nase herum zu führen. Denn es gibt in Wirklichkeit gar kein Fracking-Gesetz. Und schon gar kein „Fracking-Verbot“, wie es in Funk, Fernsehen und Print-Medien landauf, landab berichtet wird, wie auf einem Bild des Westfälischen Anzeigers.2
Selbst die als seriös geltende ZEIT schreibt: „Bundestag beschließt weitgehendes Fracking-Verbot“. Tatsächlich gibt es lediglich einzelne Änderungen in anderen Gesetzen, die auf Regelungen für Frackingmaßnahmen abzielen. Dabei ist klar: Wenn wir von Fracking sprechen, dann geht es um die sogenannte „unkonventionelle Gasförderung“mit horizontal abgelenkten Bohrungen zur Gewinnung von Gas aus Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflözgestein.
 
Glaubt man nun den offiziellen Verlautbarungen der Regierung, die zahlreiche Medien entweder naiv-unkritisch oder vielleicht ganz bewusst nachplappern, so ist diese Art von Fracking in Deutschland nun endlich vom Tisch. So schreibt Umweltministerin Hendricks (SPD) in einer Pressemitteilung: Der Gesetzentwurf beinhaltet ein unbefristetes Verbot des sogenannten unkonventionellen Frackings.4 Kann die Umweltbewegung also aufatmen, hat sie endlich ein wichtiges Ziel erreicht? Kann sich die Umweltgewerḱschaft, die im Jahr 2015 den Kampf gegen Fracking als Schwerpunktaufgabe stellte, entspannt zurück lehnen?
 
Schauen wir uns auf der Suche nach der Antwort die gesetzlichen Regelungen genauer an. In der Mitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums ist von einem Verbot nicht mehr viel die Rede, wenn es heißt: „Das Gesetzespaket sieht Verbote zum Schutz von Trinkwasser, Gesundheit und Natur in bestimmten Regionen sowie weitgehende Einschränkungen für Fracking-Maßnahmen in Schiefer-, Ton-, Mergel- oder Kohleflözgestein vor“.5 Verbote werden für „bestimmte Regionen“ vogesehen, Fracking aber wird grundsätzlich erlaubt, wenn auch mit Einschränkungen durch die Gesetzesänderungen.
 
Bei den Gesetzesänderungen handelt es sich laut Bundesregierung im Einzelnen um: „ein Gesetz zur Änderung wasser- und naturschutzrechtlicher Vorschriften, um Verfahren der Fracking-Technologie zu untersagen und um Risiken zu minimieren, ein Gesetz zur Ausdehnung der Bergschadenshaftung auf den Bohrlochbergbau und auf Kavernen (Hohlräume), welches Haftungsfragen regelt, sowie eine Verordnung zur Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und über bergbauliche Anforderungen beim Einsatz der Fracking-Technologie und Tiefbohrungen. Die Verordnung führt eine umfassende Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung ein und regelt den Umgang mit Lagerstättenwasser.“6
Aus dem notwendigen sofortigen Verbot des Fracking wird also das Ziel, „Risiken zu minimieren“. Gäbe es ein Verbot, dann gäbe es diese Risiken nicht, dann gäbe es auch kein Lagerstättenwasser, das an sich schon ein hohes Risiko darstellt, wenn es aus der Tiefe an die Oberfläche kommt, weil es nachweislich Schwermetalle und radioaktive Stoffe enthält.
Mit einzelnen  Zugeständnissen werden sich die Fracking-Gegner*innen nicht abspeisen lassen!
 
Noch deutlicher wird die Bundesregierung in ihrer Pressemitteilung vom 8. Juli, wenn sie schreibt: „Ziel des Fracking-Regelungspakets ist es, Umwelt und Gesundheit vor den Risiken des Einsatzes dieser Technologie zu schützen.“ Wirklich verboten wird nur „...die Errichtung von Anlagen zum Einsatz der Fracking-Technologie ...in Nationalparks und Naturschutzgebieten..“. Das ist zwar zweifellos ein Zugeständnis an die Fracking-Gegner, die es sogar in den Reihen der Regierungsparteien gibt, reicht aber keinesfalls aus. Weitere Zugeständnisse sind die zwingende Vorschrift, die verwendeten Fracking-Chemikalien offen zu legen, Einschränkungen für Fracking-Tiefbohrungen in Trinkwasserschutzgebieten und zum Schutz von Oberflächengewässern, Brunnen und Heilquellen, wie es die Änderungen im Wasserhaushaltsgesetz vorsehen. Man darf gespannt sein, was passieren würde, wenn sich die Fracking-Konzerne nicht daran halten. Das generelle Verbot von Fracking in weniger als 3000 m Tiefe ist zwar richtig, wird aber gleich wieder aufgeweicht durch Genehmigung von Probebohrungen und Einsatz einer „Expertenkommission“, in der unter Führung des Bundesumweltministeriums und des Bundesamtes für Geowissenschaften und Rohstoffe, ein ausgewiesener des Fracking-Förderer, die Fracking-Befürworter die Mehrheit haben werden. In der „Verordnung zur Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und über bergbauliche Anforderungen beim Einsatz der Fracking-Technologie und Tiefbohrungen“ ist nun im Artikel 1 unter Punkt 2 a bzw. 2 c generell eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Fracking-Bohrungen und für Versenkbohrungen zur Verpressung der Rückstände in den Untergrund festgelegt. An der Praxis dürfte dies vermutlich wenig ändern, solange die Behörden – wie z.B. bei den  Giftmülleinlagerungen unter Tage – alles genehmigen. 

Es ging der Regierung nie um ein Verbot des umweltzerstörerischen Fracking

Eigentlich nichts Neues ist die Vorschrift, dass die „federführenden Bergbehörden ...bei allen Zulassungen zum Fracking das Einvernehmen der Wasserbehörden herstellen“ müssen. Denn das Wasserhaushaltsgesetz verpflichtet bereits jetzt dazu, alles zu unterlassen, was Wasser gefährdend ist. So sagte Frau Stiller-Ludwig in ihrer Funktion als Leiterin der unteren Wasserbehörde Hagen auf einer BUND-Konferenz im September 2013, es gäbe im Wasserrecht den „Besorgnis-Grundsatz“ und das „Vorsorgeprinzip“, wonach sie tausend Gründe sähe, Fracking komplett zu verbieten. 
 
Aber in diesem Zusammenhang wird deutlich, dass es der Regierung überhaupt nie um ein Verbot von Fracking ging. Denn es heißt weiter: „An die Entsorgung von Rückflüssen und Lagerstättenwasser werden höchste Anforderungen nach dem Stand der Technik gestellt. Lagerstättenwasser darf nur in Gesteinsschichten, in denen Erdöl oder Erdgas vorhanden war oder ist und bei denen eine Gefährdung des Trinkwassers ausgeschlossen werden kann, eingebracht werden. Zurückfließende Frackfluide dürfen nicht untertägig eingebracht werden.7
 
Spätestens jetzt wird klar, dass von einem Fracking-Verbot in der allgemeinen Form keiner Rede sein kann. „Mit den vorgesehenen Neuregelungen im Wasserhaushaltsgesetz wird die Entwicklung der Fracking-Technologie insoweit nicht generell verhindert...“ heißt es folgerichtig im Gesetzentwurf selbst.8 Stattdessen wird gefaselt, wo das Lagerstättenwasser wieder verpresst werden darf. Wobei es das Geheimnis der Bundesregierung bleibt, wie denn jemals Lagerstättenwasser und zurückfließende Frackfluide getrennt werden sollen, wo doch beide zusammen mit dem Gas zu Tage gefördert werden. Aber klar ist auch, ohne Fracking gäbe es die giftige Gefahr weder durch das eine noch durch das andere. Schon allein dies erfordert ein generelles Verbot von Fracking, worauf die GRÜNEN in einem Antrag hinweisen, der abgelehnt wurde.9
 
Die heuchlerische Absicht der Regierung zeigt auch die Tatsache, dass sich die Änderungen in den verschiedenen Gesetzen fast ausschließlich mit den Gefahren für das Trinkwasser befassen. Dies ist sicher einer der wichtigsten Aspekte beim Fracking, aber längst nicht alles. Da wäre zum Beispiel noch der Beitrag des Fracking zur Beschleunigung und Verschärfung der Klimakatastrophe. Darauf weist die Fraktion der GRÜNEN in einem Antrag hin, der abgeschmettert wurde.10

Fracking verbieten - ohne Wenn und Aber!

Im Bundestag forderte einzig die Fraktion DIE LINKE ein generelles Verbot von Fracking mit einer Begründung, die die vielseitigen Gefahren durch Fracking anprangert.11 Auch ihr Antrag wurde abgelehnt.
Die Regierungsfraktionen haben es also zu verantworten, dass Fracking ab 2018 in Deutschland erlaubt und ab 2021 zu kommerziellen Zwecken von den Energie- und Gaskonzernen angewandt werden darf. Dies als ersten Erfolg im Kampf für ein Verbot des Fracking zu werten, verkennt allerdings die aktuelle Lage. Dass dieser Zeitpunkt gegenüber früheren Vorhaben etwas nach hinten verschoben wurde, ist wohl eher als Entgegenkommen an die Konzerne zu werten. Denn im Augenblick herrscht Unsicherheit, ob sich bei den sinkenden Öl- und Gaspreisen mit der unkonventionellen Gasförderung überhaupt Höchstprofite erzielen lassen. Einzelne Konzerne, wie z.B. Chevron, haben ihre Fracking-Pläne in Europa ganz fallen gelassen. 
 
Fassen wir zusammen: Ein Fracking-Gesetz gibt es nicht, ein Fracking-Verbot erst recht nicht. Die Gesetzeserweiterungen stellen den Versuch dar, Fracking grundsätzlich zu ermöglichen, gleichzeitig aber die besorgte Bevölkerung mit kleineren Zugeständnissen Glauben zu machen, Fracking sei so gut wie verboten. 
Die Umweltgewerkschaft hat in ihrer Broschüre Stop Fracking vom Mai 2015 nachgewiesen, was Fracking bedeutet und wie der Untertitel dies aussagt: „Die allseitige und umfassende Umweltzerstörung durch internationale Energiekonzerne."
 
Es wird also darauf ankommen, dass Umwelt- und Arbeiterbewegung gemeinsam eine starke Kraft werden, die in der Lage ist, Fracking zu verhindern ohne wenn und aber, Gesetz hin oder her!
 
Werner Engelhardt 
Bundesvorstandsmitglied der Umweltgewerkschaft
 

Broschüre, 36 Seiten,
Hrsg. Bundesvorstand der Umweltgewerkschaft
Preis: 2 €
zu bestellen bei: BergAUF Bergkamen, Rathausplatz 1,
59192 Bergkamen
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Nachweise / Fußnoten:
1.
2. http://www.mdr.de/nachrichten/politik/inland/stichwort-fracking-100.html, oder auch Westfälischer Anzeiger, 25.06.16
3.
4. http://www.bmub.bund.de/presse/pressemitteilungen/pm/artikel/hendricks-begruesst-einigung-der-koalitionsfraktionen-zum-fracking-gesetz/
5. http://www.bmwi.de/DE/Themen/Industrie/Rohstoffe-und-Ressourcen/fracking.html
6. https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2015/04/2015-04-01-fracking-gesetz-kabinett.html
7. http://www.bmwi.de/DE/Themen/Industrie/Rohstoffe-und-Ressourcen/fracking.html, ebenda
8. Deutscher Bundestag, 18.Wahlperiode, Drucksache 18/4713
9. Deutscher Bundestag, 18.Wahlperiode, Drucksache 18/8925
10. Deutscher Bundestag, 18.Wahlperiode, Drucksache 18/8926
11. Deutscher Bundestag, 18. Wahlperiode,Drucksache 18/4810