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Zur aktuellen Situation in der Brennelement-Fabrik Lingen :

Wirtschaftliche Interessen Frankreichs und Russlands

an der Brennelemente-Produktion

 

Mahnwache der Anti-Atom-Initiative Göttingen, 7.2.22, Konstanze Schirmer

 

Ende diesen Jahres soll das AKW „Emsland“ im niedersächsischen Lingen abgeschaltet werden. Ist damit das Ende der Atomindustrie in Lingen eingeläutet? Leider nicht.

In Lingen gibt es außer dem Atomkraftwerk auch noch eine Brennelementefabrik, die trotz des deutschen Atomausstiegs eine unbefristete Betriebserlaubnis hat und weiterhin europäische Atomkraftwerke beliefert. Betreiber dieser Atomfabrik ist Framatome, eine Tochtergesellschaft des staatlich-französischen Energiekonzerns Electricite´ de France (EdF), der Firmensitz befindet sich in Erlangen. Lingen liefert seine Brennelemente und Zwischenprodukte wie Uranhexafluorid nach Tihange und Doel (Belgien), Cattenom (Frankreich), Borssele (Niederlande), Leibstadt (Schweiz), Olkiluoto (Finnland), sowie nach Großbritannien, Russland und Spanien. [1] [2] [3]

Was ist der aktuelle Stand in Lingen?

Vor ziemlich genau einem Jahr, am 12.2.2021, ist ein Antrag auf Zusammenarbeit zwischen Framatome und der russischen Firma TVEL beim Bundeskartellamt eingegangen.

TVEL ist eine Tochtergesellschaft des staatlich-russischen Atomkonzerns Rosatom und will mit 25% der Firmenanteile in das Geschäft einsteigen. Im März letzten Jahres hat das Bundeskartellamt diesem Antrag – also einem Joint Venture zwischen Frankreich und Russland – zugestimmt. [5] [4] [2] [1]

Was ist das Problem an der Situation?

Verschiedene Umweltorganisationen befürchten, dass ein konsequenter Atomausstieg in Deutschland in weitere Ferne rücken würde, weil der französisch-russische Deal eine Schließung der Brennelementefabrik erschweren würde. Und es geht nicht nur um den deutschen Atomausstieg, sondern um einen Ausstieg weltweit. In einer gemeinsamen Mitteilung von Framatome und Rosatom aus dem vergangenen Dezember hieß es:

„Zusammen werden wir unsere gemeinsame Expertise nutzen, um unsere nukleare Flotte zu unterstützen und die nächste Generation der atomaren Energie aufzubauen.“ [1]

Abgesehen davon, dass es zu einer Zunahme der internationalen Atomtransporte kommen würde, besteht die Gefahr, dass sich die zivile und die militärische Nutzung der Atomtechnologie weiter verflechten. [5] (Das ist nicht so abwegig, denn die taz berichtete, dass im August 2019 fünf Rosatom-Angestellte in einem militärischen Sperrgebiet beim Testen einer neuen Atomwaffe ums Leben gekommen sind. [2])

Und dann gibt es das Problem auf der politischen Ebene: Russland würde einen weiteren Zugang zum europäischen Energiemarkt bekommen und seinen Einfluss in Europa verstärken; EU-Sanktionen gegen Russland würden erschwert werden. [2] Im Grunde genommen ist das Projekt ähnlich brisant wie „Nord Stream 2“, nur „über Nord Stream wird diskutiert – über den Atomdeal nicht.“ (Wladimir Sliwjak, [1])

Wie geht es nun weiter?

Die nächste Entscheidungsebene ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Dort wird in den nächsten Tagen eine Entscheidung gefällt werden, weil es für eine Investitionsprüfung eine Frist von 10 Monaten gibt. [1]

Die Umweltorganisationen Ecodefense (Russland), Réseau Sortir du nucléaire (Frankreich) und die AtomkraftgegnerInnen im Emsland (AgiEL) haben am 1. Juni letzten Jahres eine trinationale Erklärung verfasst, in der es unter anderem heißt:

„Wir fordern von der französischen und der russischen Regierung den sofortigen Verzicht auf diese atompolitische Kooperation in Deutschland. Wir erwarten von Präsident Macron und Präsident Putin, dass sie den Atomausstieg in Deutschland respektieren. Das bedeutet konkret, dass die Brennelementefabrik in Lingen komplett geschlossen wird und nicht durch ein neues Joint Venture künstlich weiter in Betrieb bleibt.

Wir fordern zudem von der Bundesregierung, dass sie diese Atomkooperation unterbindet und stattdessen die Stilllegung der Atomanlage in Lingen einleitet. […] Ausgelastet ist die Brennelementefabrik schon seit der Reaktorkatastrophe von Fukushima nicht mehr, weil immer mehr altersschwache Reaktoren vom Netz gehen müssen. Nun droht Lingen jedoch zu einer französisch-russischen Atomzentrale bei der Belieferung von alternden AKWs in vielen europäischen Ländern zu werden.

Wir befürchten konkret, dass die Kooperation von Framatome und Rosatom dazu führen wird, dass die russische Atomindustrie Teile der Brennelementeproduktion von Russland nach Deutschland auslagern will, unter anderem, um unbequeme EU-Sanktionen im atomaren Bereich zu unterlaufen. Rosatom beteiligt sich auch an militärischen Atomprojekten.

Der französische Präsident Macron setzt sich öffentlich für einen strikten Kurs gegenüber Russland ein – im Atomsektor öffnet er jedoch wissentlich Rosatom die Türen in die EU. Dass die Bundes-regierung dieses heuchlerische Atomspiel mitspielt, ist unverständlich und nicht akzeptabel.

Framatome und Rosatom wollen auch den längst gescheiterten AKW-Bau im bulgarischen Belene wiederbeleben. Die Framatome-Filiale im bayrischen Erlangen soll bei diesem Horror-Plan eine wichtige Rolle spielen. Damit formen Frankreich und Russland eine Allianz für eine neue nukleare Expansion. Das halten wir für unverantwortlich.

Wir fordern zudem, dass Deutschland, Frankreich und Russland keine weiteren Deals auf dem Gebiet der Urananreicherung abschließen – weder für angereichertes Uran noch für abgereicher-­ten Uranmüll, der nach Russland zur Endlagerung unter freiem Himmel in sogenannten "Geschlossenen Städten" gebracht wird.

Wir sind uns einig, dass Europa dringend eine De-Nuklearisierung benötigt – dazu gehört zwangsläufig die Stilllegung aller laufenden Atomanlagen – in Deutschland, Frankreich und Russland. Deshalb lehnen wir konsequent alle Vereinbarungen ab, die zu einer Verlängerung des Atomzeitalters führen können. Atomenergie ist extrem gefährlich und keine Hilfe für den internationalen Klimaschutz. Die Zukunft Europas liegt energiepolitisch in den Erneuerbaren Energien. Darauf müssen alle Anstrengungen gerichtet sein.“[3] [4]

Diesen Forderungen und dieser Erklärung schließt sich die Anti-Atom-Initiative Göttingen an!

Quellen:

[1] https://www.zeit.de/politik/2022-01/atomkraft-niedersachsen-frankreich-russland-brennelementefabrik-lingen

[2] https://taz.de/Brennelementefabrik-in-Lingen/!5832981/

[3] https://www.atommuellreport.de/themen/detail/widerstand-gegen-franzoesisch-russisches-brennelementgeschaeft-in-lingen.html

[4] Trinationale Erklärung "Kein Joint Venture Framatome Rosatom in Lingen": www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/Kein_Joint_Venture_Framatome_Rosatom_in_Lingen.pdf

[5] https://www.lifepr.de/inaktiv/bundesverband-buergerinitiativen-umweltschutz-ev/Nein-zur-Beteiligung-Russlands-an-Brennelementefertigung-in-Lingen/boxid/837615

siehe außerdem:

https://www.bundeskartellamt.de/DE/Fusionskontrolle/LaufendeVerfahren/

 

 

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