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Gelsenkirchen, Rebellisches Musikfestival, 27./28.08.2021

 

Wie soll man etwas beschreiben, was man so zuvor noch nie erlebt hat?

Um die berühmten sechs Ecken herum, hatte ich die Möglichkeit, das vielbeworbene Event zu besuchen. Nicht nur einfach so, sondern als Teil davon, am Stand der Umweltgewerkschaft, im Festival-Point: Rebellion der Powerfrauen, Umweltkämpfern, Antifaschisten.

Im Niehausener Revierpark-Gelsenkirchen, alles Bergbaugebiet dort, deshalb „Reviere“, begann am Morgen des 27.08. der gemeinsame Aufbau etwas zaghaft, mit noch wenig Helfern. Doch der Bauleiter hatte den Plan im Kopf und nach und nach trudelten auch die letzten ehrenamtlichen Helfer ein. Pavillons aufstellen, Imbisswagen buchsieren auf dem schon etwas regenweichem Untergrund, Strom und Wasser anschließen, Bänke und Tische anordnen, um den Corona-Auflagen für das Festival zu entsprechen. Immer im Hintersinn, dass das Festival noch nicht hundertprozentig genehmigt war! Am Nachmittag würde das Bauamt Gelsenkirchen die Örtlichkeit inspizieren und dann erst entscheiden. Welch eine Willkür! Trotzdem war die Stimmung klasse. Regenschauer kündigten an, dass die Begehung des Platzes eine Herausforderung werden würde. Die Standorte für die Zeltplätze waren bereits abgegrenzt und füllten sich langsam.

Als die Mitglieder der Umweltgewerkschaft eintrafen, bauten wir unseren Pavillon ebenfalls auf und richteten ihn ein. Gerry aus Berlin hatte neue Transparente geschaffen, einen Koffer voll Umweltlektüre und anderer Ausstattung mit. Seine Bilder von unserem Hochwasserhilfseinsatz in Sinzig/ Remagen/ Kripp füllten schnell die Staffelei, die Olaf aus Essen vorbereitet hatte.

Als der Soundcheck auf der Bühne begann, war das OK der Stadt Gelsenkirchen wohl eingegangen. Zeit, für einen Bummel über das Gelände. Café Nordlicht, MLPD, Rebell und Rotfüchse, Solidarität International, drei Stände mit türkischen, italienischen, afrikanischen Speisen, Verlag Neuer Weg, Courage, Montagsdemo, Verein gegen die Monstertrassen, Internationalistisches Bündnis und noch einige mehr. Und ich sah schon Bandmitglieder von Nümmes, Gehörwäsche, Los Pueblos, Mister L... und Grup Yorum sollte auch auftreten.

An unserem Stand fanden sich die ersten Besucher ein. Das Interesse galt vielfach dem neuen Arbeitsheft: Wie kann ein umweltverträgliches Verkehrssystem verwirklicht werden? (von Prof. Dr. Josef Lutz) und der Bilderfolge vom Hochwasserhilfseinsatz. Diskussionen um das Versagen der Behörden dort, über die Solidarität der Menschen vor Ort und deutschlandweit. Afghanistan, Verschlechterung des umweltfaktorischen Zustandes der Meere, Wie organisiere ich mich?...vielfältige Themen wurden angesprochen.

Während des Festivals übernahmen alle Organisationen vor Ort verschiedene Aufgaben in der Security, Hilfsarbeiten beim weiteren Aufbau der Infrastruktur auf dem Platz, Hilfe beim Aufbau von Pavillons bei später erscheinenden Vereinen und denen, wo der Wind die Standfestigkeit der Aufbauten prüfte.

Durch meine Schichten in der Standbetreuung bekam ich anfangs nicht viel mit von den Gesangsbeiträgen. Doch so manche Zeile wehte der Wind herüber: “...wollen wir ihnen wirklich die Erde überlassen?...“, “...Nichts war schon immer und nichts bleibt wie es ist....“, “ und alle Mächtigen haben sich weise hinter der scheinbaren Freiheit geduckt...“...Meine Mitstreiter haben mir versprochen, dass ich das Konzert von Grup Yorum voll erleben würde.

Die Nacht verlief regnerisch. Der tagfolgende Wetterbericht stellte sich dann aber als völlig fehlgedeutet heraus und es gab sogar sonnige Abschnitte.

Der 28.08.verlief für uns dann im Zeichen der Vorstellens der Umweltgewerkschaft und seiner Arbeit, Gewinnung von neuen Mitgliedern, Aktivierung bislang nur unterstützender Mitglieder zu aktiv werdenden. Wir führten Diskussionen um die Notwendigkeit des Sich-Organisierens, um den Monopolen ernsthaft entgegentreten zu können. Jochen aus Hamburg stellte den neuen kämpferischen Rundbrief der Region Nord vor, Miri leitete die Diskussionsrunde über die Kriminalisierung von Umweltaktivisten in der BRD, Dr. Bittel führte zweimalig ein offenes Impfaufklärungsgespräch und vieles mehr. Spenden für die Hochwasserhilfe wurden gesammelt.

Fazit: rund 300 Euro aus dem Verkauf von Lektüre und Arbeitsmittel, 25 Euro Flutunterstützung, neun neue Mitglieder gewonnen, viele Interessierte, die sich Informationsmaterial mit nach Hause nahmen.

Das Festival hatte einen Song-Kontext mit dem Thema: Gib Antikommunismus keine Chance! und neun Bands und Einzelsolisten von 18 bis 68 Jahren, nahmen daran Teil.

Los Pueblos gewann, durch Beifallmessung des Publikums, den begehrten Preis für eine Studio-Aufnahme seines Songs. Verlierer gab es jedoch keine!

Und dann war es endlich soweit, das Abendkonzert begann. Was für ein Feuerwerk an kritischer, rebellischer, monopol- und kapitalismusanklagender, lebensbejahender Musik. Heiße und getragene Rhythmen. Verharrend, sich wiegend oder tanzend....fast immer mitsingendes Publikum. Und kurz vor dem Auftritt Grup Yorum dann auch sieben Streifenwagen rund um das Gelände zur Auflösung des Festivals, falls die beiden auf dem Gelände befindlichen türkischstämmigen Mitarbeiter des Ordnungsamtes Gelsenkirchen feststellen sollten, dass Grup Yorum „verbotene“ Lieder singen würde. Welche Zensur! Herr Stefan Engel, einer der Schirmherren der Veranstaltung, riet den Mitarbeitern des Ordnungsamtes, sich doch die „Kassetten“ der Gruppe zu kaufen, dann könnten sie daheim oder auf Arbeit die Texte übersetzen, ohne sich auf das Festival bemühen zu müssen....Doch alles verlief ohne weitere Störung.

Durch einen Stromausfall war es zeitlich bedingt nach hinten raus eng geworden. Als dann die Polizei darauf beharrte, die genehmigte Zeit des Festivals einzuhalten, Mitternacht, lachten die Mitglieder von Gehörwäsche nur, schnappte sich Gitarre und das Rhytmusgerät und gingen vor die Bühne hinunter ins Publikum, um dort live mit ihnen zu singen....viel leiser war das wirklich nicht und die meisten kannten ihre Lieder, was für ein gemischter geeinter Chor. Danke für dieses Erlebnis! Traut euch! Kommt selber zum nächsten Rebellischen Musikfestival 2022! Traut euch! Organisiert euch! Fünf Finger kann man brechen, doch nicht, wenn fünf Finger bilden eine Faust!

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Suse / Stralsund