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Poster Neckarwestheim 2022 biblis 560

Muss (S21) fertig gebaut werden, nur weil es mal begonnen wurde? Am Beispiel der ATOM-Anlagen

Auszug aus der Rede von Dipl.-Ing. Hans Heydemann, Ingenieure22, auf der 591. Montagsdemo am 13.12.2021 in Stuttgart

Werte Mitstreiter*innen,

trotz eingestandener Kostenexplosion auf 8,2 Mrd. €, mehrjähriger Bauzeit-Verzögerung, vieler technischer Mängel und mannigfachen bautechnischen Schwierigkeiten wird der Weiterbau von Stuttgart 21 vorangetrieben – was einmal begonnen wurde, müsse auch zu Ende geführt werden, so die letzte noch verbliebene Rechtfertigung des Vorhabens von Seiten der Befürworter.

Muss man das wirklich? Es gibt zahllose Beispiele für begonnene und dann – aus den verschiedensten Gründen – doch nicht fertiggestellte und wieder aufgegebene Vorhaben.

Das begann schon in der Antike. So berichtet die Bibel von einem „Turmbau zu Babylon“, der bis in den Himmel reichen sollte und doch nie vollendet wurde.

Ein Beispiel aus neuerer Zeit ist der Schnelle Brüter SNR Kalkar in Nordrhein-Westfalen. Einst als Vorzeige-Projekt deutscher Ingenieurskunst gedacht zur Erbrütung von Plutonium aus abgebranntem Uran-Brennstoff der Atomkraftwerke als neuen Brennstoff für die AKW´s, sollte er die Abhängigkeit von Uranlieferungen aus dem Ausland verringern. Die Baugenehmigung wurde gegen erbitterten Widerstand der Bevölkerung durchgedrückt, Klagen dagegen abgeschmettert. Der Bau zog sich hin, immer neue Schwierigkeiten taten sich auf.

Als er 1989 – drei Jahre nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl – schließlich soweit fertiggestellt war, wurde die Betriebserlaubnis versagt. Er wurde nie mit radioaktivem Material beladen. Die Investoren hatten das wirtschaftliche Interesse daran verloren, die Atomenergie hatte sich – entgegen den anfänglichen Beteuerungen, wie billig doch Atomstrom sein werde – inzwischen als unwirtschaftlich herausgestellt.

Heute ist der „Schnelle Brüter“ bei Kalkar ein Vergnügungspark. Er war mit 5 Mrd. DM die bis dahin teuerste Investitions-Ruine, die sich der deutsche Staat geleistet hat – auf Kosten der Steuerzahler und zum Wohle der beteiligten Bauunternehmen. 

Die Atomwirtschaft hat eine ganze Reihe solcher „Flops“ hingelegt. Dazu gehört u.a. das AKW Mühlheim-Kärlich bei Koblenz in Rheinland-Pfalz. Errichtet von 1975 - 1986 für 7 Mrd. DM, wurde dem AKW bereits 1988 nach gerade einmal 100 Tagen kommerziellen Regelbetriebes die Betriebserlaubnis wegen „Unregelmäßigkeiten im Genehmigungs-Verfahren“ wieder aufgehoben und der Abriss verfügt, der bis 2016 abgeschlossen sein sollte. Tatsächlich verzögert sich der Abriss und ist noch längst nicht abgeschlossen. Auf dem Kraftwerksgelände soll danach ein Recycling-Betrieb entstehen.

Das fertiggebaute AKW Zwentendorf in Österreich ist nach der Volksabstimmung 1978 nie in Betrieb gegangen; es dient heute als „Besucher-AKW“. Die Baukosten hatten sich auf 14 Mrd. Schilling (4,3 Mrd. €) nahezu verdreifacht.

Der Bau der „Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf“ (WAA) zur „Aufarbeitung von Kernbrennstoff aus deutschen AKW´s“ wurde 1985 von der bayrischen Landesregierung unter Franz-Josef Strauß genehmigt und sofort begonnen, begleitet von heftigsten Protesten auch aus der örtlichen Bevölkerung und Großdemonstrationen mit bis zu 100.000 Teilnehmern sowie Bauplatzbesetzungen, deren gewaltsame Räumung zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führte. Mit 881.000 Einwendungen war das Erörterungsverfahren dazu das längste in der Geschichte der Bundesrepublik.

1989 wurde das noch längst nicht fertiggestellte Vorhaben von der Betreiber-Gesellschaft DWK wegen weiterhin bestehenden Unwägbarkeiten wie zu langer Bauzeit und der absehbaren Unwirtschaftlichkeit aufgegeben, dies mit bis dahin angefallenen 10 Mrd. DM als „verlorene Kosten“. Das Betriebsgelände wurde inzwischen mit erheblichen Steuermitteln zum Gewerbegebiet Innovationspark Wackersdorf hergerichtet.

Als weitere untaugliche „Investitionsruinen“ der Atomwirtschaft erweisen sich auch die vorgesehenen Atommüll-Endlager „Asse“ sowie Gorleben in Niedersachsen.

……….

Wie man sieht, ist es also keineswegs zwangsläufig, dass ein einmal begonnenes Vorhaben dann auch fertig gebaut werden muss. Wie oft schon wurde ein Vorhaben abgebrochen und aufgegeben! Das ist auch immer noch bei Stuttgart 21 möglich und sinnvoll!

Oben bleiben!