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Solidaritätsbesuch im Widerstandscamp Lützerath – ein Bericht:

Am 9.1.23 besuchten wir mit drei Mitgliedern der Umweltgewerkschaft das besetzte Dorf Lützerath. (In den vergangenen Wochen waren immer wieder Einzelne oder kleine UG-Gruppen vor Ort gewesen).Wir kauften für 60€ vor allem Lebensmittel für die Besetzer*innen ein und spendeten noch einen Schlafsack und eine Isomatte.
Schon auf dem Weg nach Lützerath, einem ca 1 km langen Feldweg, begegneten wir vielen Menschen, die auch auf dem Weg zu einem Solidaritätsbesuch waren.

Lützi UG Mitglieder an Abbruchkante 8.1.23 klein

Im Ort wurde sich auf die bevorstehende Räumung vorbereitet. Viele junge Leute, vorwiegend aus der autonomen Szene, bauten oder stapelten Pflastersteine oder spannten Seile in die Bäume. Man spürte die Entschlossenheit, die Räumung doch noch zu verhindern. Wir gingen zur Abbruchkante des Braunkohle-Tagebaus von RWE, die sich keine 10 Meter vom Dorf entfernt befindet. Diese Kante zeigte deutlich die Zerstörungskraft des Braunkohletagebaus. Das Ökosystem wird durch diese Art des Bergbaus unwiederbringlich zerstört. Wir hören außerdem eine Weile einem Plenum der Besetzer zu, die mit Infos und Durchsagen die folgenden Tage ausrichtet.

Lützerath Protestbesucher Jan 2023

Die Menschen in Lützerath haben völlig Recht in ihrem Anliegen. Schmerzhaft fehlt hier die Einheit von Arbeiter und Umweltbewegung.


Die Bergleute der Bergarbeiterinitiative "Kumpel für AUF" (bekannt geworden durch den Kampf gegen Giftmüll unter Tage und gegen das neue Kohlekraftwerk Datteln IV) wenden sich gegen solche Abbaumethoden und auch gegen die Kohleverbrennung. Und es sind die Bergleute so wie alle Arbeiter, die gemeinsam mit der Umweltbewegung diesem Raubbau tatsächlich ein Ende setzen könnten. Ein Widerstand gegen die Räumung müsste eng verbunden werden mit der Bevölkerung, getragen von der Arbeiter*innen der Region oder bundesweit, und gefordert in politischen Streiks von uns Kolleg*innen. Dann wäre es möglich, bundesweit eine Meinungsführerschaft zu erlangen.
Im Moment sind diese Besetzungen noch vor allem autonom geprägte Einzelaktionen, die hier und jetzt auch in einer gewissen Verzweiflung sozusagen das Richtige durchsetzen wollen. Dieses Gefühl der 'Rufer in der Wüste,' diesen Eindruck hatten wir auch stark bei unserem Besuch.
Vertrauen in die Masse der Bevölkerung und ihre Gewinnung für den organisierten aktiven Widerstand ist hingegen unsere hauptsächliche Taktik als Umweltgewerkschaft.

Wir haben in den letzten Tagen in mehreren Städten und oft gemeinsam mit Bündnispartnern Solidaritätsaktionen organisiert oder uns daran beteiligt: in Essen, Gelsenkirchen, Köln, Hamburg, Stuttgart, Wolfsburg... (siehe auch Einzelberichte unter "50 neueste Beiträge").
Im Gespräch mit den Passanten haben wir die breite Diskussion um die Räumung von Lützerath genutzt, um über die Umweltkatastrophe und ihre Folgen, das Symbol von Lützerath und die Solidarität mit dem Kampf gegen die Räumung, und über die nötige Einheit von Arbeiter- und Umweltbewegung diskutiert. Wir stellten fest, dass es zwar durchweg Sympathie für die Proteste gab, aber auch viele Bedenken, ob man die Kohle nicht doch verstromen muss wegen der Energiekrise und dem Krieg. Nein, das ist nicht nötig, war unsere Antwort und in vielen Orten konnten wir auch einige Passanten überzeugen.

Mit diesen Gedanken meldeten wir uns bei der Pressestelle. Wir wurden mit größter Freude begrüßt, besonders die Anwesenheit eines Mitglieds aus der Autoindustrie aus Wolfsburg stieß auf großes Interesse. 30 Minuten später sprachen wir länger mit einer Pressesprecherin, und bekamen auch ein Videointerview mit ihr.
Sie war begeistert von der Einheit von Arbeiter und Umweltbewegung und unserem Profil und ebenso von der Idee, Streiks für Umweltforderungen zu entwickeln und für ein allseitiges Streikrecht zu stehen. Sie selber sagte, auch die Umweltbewegung müsse aktiv gegen die Inflation und Verarmung der arbeitenden Menschen vorgehen. Das wiederholte sie auch im Videointerview. Wir veröffentlichen es, sobald es fertig ist.

Nicht alles läuft so transparent, wie es sollte.
Etwas verwundert waren wir, als wir nach dem Interview die antikommunistischen Attacken auf unsere Freunde von der MLPD bei ihrem Besuch in Lützerath am 12.11.22 ansprachen. Wir schilderten die Vorgänge, dass sie gehindert wurden, mit zu demonstrieren, ihr Transparent zerrissen und sie auch körperlich angegangen wurden. Die Pressesprecherin wusste offensichtlich nichts von der Dramatik des Vorgangs, sie hatte nur gehört, die MLPD hätte “wieder die Regeln mit den Fahnen verletzt“.
Wir argumentierten auch gegen das – sogar rechtlich unzulässige - „Fahnenverbot“. Natürlich verstehen wir, dass die Proteste in Lützerath nicht dominiert oder instrumentalisiert werden wollen, doch das passiert ja nicht durch einzelne Fahnen. Und wir erklärten auch nochmal, was es für revolutionäre Menschen bedeutet, die Fahne ihrer Partei zu tragen, und das Recht lassen sich unsere Freunde nicht nehmen. Wir überzeugten sie nicht, brachten sie aber ins nachdenken und schlugen ihr vor, bei den folgenden gemeinsamen Treffen nochmal über den Vorgang transparent zu sprechen.

Wir verabschiedeten uns freundschaftlich und wollen in Kontakt bleiben.
Wir sind froh, dort gewesen zu sein - nun wird Lützerath wohl geräumt, aber am 14.1. beteiligen wir uns natürlich an der Solidaritäts-Demonstration in Lützerath und rufen auch dazu auf. Auch wenn RWE nun erstmal weiterbaggert, geht unser Widerstand gegen Kohleverbrennung und Gewinne von RWE auf Kosten von Mensch und Natur in die nächste Runde.
Lützi lebt und das Symbol Lützi lebt weiter!

 

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