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Erklärung der Roten Hilfe eV. (22.11.2020)

Die Situation um die Rodung des Dannenröder Waldes eskaliert weiter. Am Samstagmorgen stürzte eine weitere Aktivistin während der Räumungsmaßnahmen der Polizei über fünf Meter in die Tiefe und wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. Umstehende berichteten, dass Polizeikräfte das zugehörige Sicherungsseil zu Boden traten und so den Absturz verursachten. Bereits in den vergangenen Tagen gab es bei den Protesten im Dannenröder Wald mehrere Abstürze von Aktivist*innen, die durch das Vorgehen der Polizei verursacht wurden. Am vergangenen Sonntag durchschnitt ein Polizeibeamter ein Sicherungsseil, und an den darauffolgenden Tagen gefährdeten in direkter Nähe gefällte und herabfallende Bäume immer wieder Baumbesetzer*innen, was zu einem weiteren Fall aus mehreren Metern führte. Am vergangenen Freitag wurde ein Aktivist bei der Räumung einer Barrikade durch die Polizei bewusstlos geschlagen. Bei der Räumung einer Baumbesetzung setzte die Polizei am gleichen Tag in 25 Meter Höhe einen Elektroschocker (Taser) ein, dessen Nutzung in der Vergangenheit schon auf dem Boden Menschenleben gefährdet und gefordert hat.

Die Rote Hilfe kritisierte die Sonderhaftbedingungen für die im Zusammenhang mit Protesten gegen die Rodung des Dannenröder Walds inhaftierten Menschen bereits mehrfach. Trotz längst abgelaufener Corona-Quarantäne müssen die meisten von ihnen noch 23 Stunden täglich allein in Isolation verbringen. Auch Kontakte nach außen werden von der JVA systematisch verhindert, indem beispielsweise mitgeschickte Briefmarken nicht ausgehändigt werden. Zudem verwehrte die JVA über Wochen die Auszahlungen von Geld der Roten Hilfe e. V. für Einkäufe von Lebensmitteln, Briefmarken und anderen Waren im Gefängnis an die Gefangenen. Erst ein Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Mittwoch zwang die JVA, dieses Geld auszuzahlen.
 
Anja Sommerfeld, Mitglied im Bundesvorstand der Rote Hilfe e.V., ist schockiert über die Brutalität und Rücksichtslosigkeit, mit der die Rodung gegen alle Widerstände durchgesetzt werden soll.

„Es ist nur großem Glück zu verdanken, dass der brutale Polizeieinsatz im Dannenröder Wald noch keine Todesopfer gefordert hat. Wir erleben, dass die Polizei täglich rücksichtsloser agiert und ihr Einsatz immer häufiger und mit erschreckender Systematik Menschenleben gefährdet. Wir dürfen nicht warten, bis es wie im Hambacher Forst zu einem Todesfall kommt. Es muss jetzt und unverzüglich zu einem sofortigen Rodungsstopp kommen – erst recht angesichts der derzeitigen Pandemie.“
Sommerfeld kritisiert auch den großen politischen Druck, der überhaupt erst zu den Inhaftierungen führte: „Für die Vorwürfe, die den neun Gefangenen gemacht werden, ist Untersuchungshaft selbst nach rechtsstaatlichen Minimalstandards völlig unverhältnismäßig. Die Inhaftierung soll einerseits andere vor politischem Protest abschrecken. Andererseits soll diese faktische Beugehaft die Gefangenen mit massivem Druck erpressen, ihre Personalien zu nennen. Wir fordern die JVA auf, die Isolation und die Sonderhaftbedingungen unverzüglich aufzuheben und die Gefangenen sofort freizulassen.“

 

In Isolation, unter Schlafentzug und ohne Geld müssen sieben Gefangene, die die Herausgabe ihrer Personalien verweigern, seit zwei Wochen in Untersuchungshaft in der JVA Frankfurt verbringen. Sie beteiligten sich aus Protest gegen die Abholzung von Wälderndes Dannenröder Forsts für den Ausbau der A 49 Ende Oktober an einer Abseilaktion an drei Autobahnbrücken im Rhein-Main-Gebiet. Die Rote Hilfe kritisiert die Untersuchungshaft als „völlig unverhältnismäßig und politisch motiviert“. „Die Verhängung einer Untersuchungshaft für den Vorwurf einer einfachen Nötigung haben wir noch nicht erlebt. Für uns ist das nur aus politischen Gründen zu erklären. Politik und Justiz wollen mit der Kulisse drakonischer Strafen andere vom Protest gegen die Rodung des Dannenröder Forsts abhalten“, urteilt Anja Sommerfeld, Sprecherin des Bundesvorstands der Roten Hilfe e.V.
 
Die JVA Frankfurt versucht die Haftbedingungen der Gefangenen mit allen Mitteln zusätzlich zu erschweren:
- Obwohl die Zeit der Corona-Quarantäne längst abgelaufen ist, sind die sieben Gefangenen weiter isoliert. Sie müssen bis zu 23 Stunden am Tag alleine in einer Zelle verbringen.
- Nachts werden die Gefangenen alle ein- bis eineinhalb Stunden geweckt. Dies wird mit Suizidgefahr begründet. Die Inhaftierten werden dabei so lange angeleuchtet, bis sie sich bewegen. Das bedeutet für sie nie mehr als anderthalb Stunden durchgängig Schlaf pro Nacht.
- Den Gefangenen wird die Aushändigung von Geld für Einkäufe verweigert, das für sie einbezahlt wurde. Anfang November fasste die JVA Frankfurt einen Beschluss, dass die Gefangenen keine Zahlungen der Roten Hilfe e.V. erhalten dürfen, da diese eine „verfassungswidrige Organisation“ sei. Ohne Geld können die Gefangenen kaum mit ihren Anwält*innen telefonieren und sich keine eigenen Lebensmittel kaufen. Auf diese sind sie aber angewiesen, da die JVA ihnen keine eigenen veganen Mahlzeiten anbietet.
- Außerdem verweigert die JVA Frankfurt den Gefangenen die Aushändigung ihrer Zeitungsabos und Bücher.

Anja Sommerfeld kritisiert die Urteile und die Sonderbehandlung im Vollzug, die politische Fehler der Regierenden auf dem Rücken der sieben Gefangenen auszutragen versucht: „Politik und Wirtschaft haben massiv Druck ausgeübt, um mit Hilfe der Justiz vom politischen Versagen der Schwarz-Grünen Landesregierung in Hessen beim Autobahnausbau abzulenken und den Protest gegen die Rodung von Wäldern mitten in der Klimakrise zu ersticken. Das Verhalten der JVA Frankfurt setzt den politischen Druck fort. Das dauernde nächtliche Wecken ist wie die Isolation ein Instrument aus dem Folterbaukasten. Die Gefangenen sollen systematisch von Außenkontakten, Unterstützung und Solidarität abgeschnitten werden.“
„Als Skandal“ bezeichnet Sommerfeld die Bewertung ihrer eigenen Organisation als „verfassungswidrige Organisation“ durch die JVA Frankfurt: „Die Rote Hilfe unterstützt seit Jahrzehnten Menschen, die aufgrund ihrer politischen Arbeit von staatlicher Repression betroffen sind. Noch kein Gericht hat jemals festgestellt, dass diese Arbeit verfassungswidrig sei. Wir fordern die JVA Frankfurt auf, ihren Beschluss umgehend rückgängig zu machen. Wir werden nicht aufhören Menschen zu unterstützen, die für eine bessere Welt einstehen“, stellt Sommerfeld klar.