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Interview mit Herrn Mock, Managing Director der Organisation ICCT ( International Council oft Clean Transportation).
Diese Organisation hat gemeinsam mit der DUH maßgeblich den VW- Dieseskandal mit aufgedeckt.

Ein Interview von Christian Frahm

Spiegel - 22. Juni 2018, 15:28 Uhr

Die Umweltminister der EU-Länder kommen am Montag in Luxemburg zusammen, um über die Abgasvorschriften für Neuwagen nach 2021 zu beraten - dem vielleicht wichtigsten Klimaschutzgesetz für den Straßenverkehr. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht bisher vor, den Kohlendioxid-Ausstoß (CO2) von Fahrzeugen bis zum Jahr 2025 durchschnittlich um 15 Prozent, bis 2030 um 30 Prozent zu senken. Ausgangspunkt ist der Ausstoß von 95 Gramm CO2 pro Kilometer bei Pkw und 147 Gramm bei leichten Nutzfahrzeugen. Diese Zielwerte gelten noch bis 2021, die neuen Vorgaben bauen darauf auf.

SPIEGEL ONLINE: Herr Mock, halten Sie diese Ziele für angemessen?

Mock: Die Zielwerte der Kommission werden bei Weitem nicht ausreichen, um die Klimaschutzziele der EU für das Jahr 2030 zu erreichen. Diese sehen vor, die Treibhausgasemissionen um mindestens 40 Prozent zu reduzieren, Deutschland strebt sogar 55 Prozent weniger an als im Jahr 1990.

 

SPIEGEL ONLINE: Wie scharf müssten die Vorgaben denn sein? Selbst Kanzlerin Angela Merkel hat den Verkehrssektor als "Sorgenkind" des Klimaschutzes bezeichnet...

Mock: Will die EU eine Chance haben, die Klimaziele zu erreichen, bräuchte es mindestens eine doppelt so hohe Reduktion bei den Pkw-Emissionen als sie die Kommission jetzt fordert. Der Vorschlag ist auch deshalb viel zu weich, weil die Hersteller mit den bereits vorhandenen Technologien weitaus mehr CO2 einsparen könnten, als sie es derzeit tun.

SPIEGEL ONLINE: Welche technischen Möglichkeiten werden Ihrer Meinung nach nicht ausgeschöpft?

Mock: Bei den klassischen Verbrennungsmotoren gibt es noch viel Potenzial. Eine unserer älteren Untersuchungen hat ergeben, dass ein Flottenziel von 70 g CO2/km ganz ohne oder nur mit geringen Stückzahlen von Elektrofahrzeugen machbar wäre. Das entspricht einem Verbrauch von etwa drei Liter Benzin. Heute sind die Möglichkeiten durch die aufstrebende E-Mobilität noch deutlich besser. Die direkten Emissionen der Flotte lassen sich durch strombetriebene Autos theoretisch beliebig weit senken.

SPIEGEL ONLINE: Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt eine Quote für Elektroautos in der EU ab. Ein Fehler?

Mock: Aus meiner Sicht wäre eine Quotenregelung sehr sinnvoll, weil sie den Herstellern Planungssicherheit gäbe. Generell bin ich eigentlich dafür, der Autoindustrie nicht vorzuschreiben, mit welcher Technologie sie die Emissionen senkten. Aber das Agieren der Politik in Sachen E-Auto-Quote finde ich etwas scheinheilig, da sie sich doch längst dazu entschieden hat, die Elektromobilität verstärkt zu fördern. Warum macht sie den Herstellern dann keine klaren Angaben, wie viele E-Autos bis zu einem gewissen Zeitpunkt auf der Straße sein müssen? Das ist inkonsequent.

SPIEGEL ONLINE: Erstmals gibt es keinen konkreten CO2-Wert mehr, der bis 2025 beziehungsweise 2030 erfüllt werden muss, sondern nur noch prozentuale Ziele. Warum eigentlich?

Mock: Hintergrund ist die Einführung eines neuen Messverfahrens. Ab dem 1. September wird der sogenannte WLTP (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure) verbindlich eingeführt, der für realistischere CO2-Messwerte sorgen soll. Zuletzt bestand zwischen den Angaben der Hersteller und den tatsächlichen Verbräuchen der Autofahrer ein Unterschied von etwa 40 Prozent. Da die Verbrauchswerte nach der neuen Messmethode erst einmal ansteigen werden, hätte das zur Folge, dass die Autohersteller die Emissionen stärker senken müssten, um absolute Ziele zu erfüllen. Daher hat sich die Kommission entschlossen, nur prozentuale Angaben zu machen.

SPIEGEL ONLINE: Schont die Kommission damit nicht die Hersteller, die jahrelang alle Schlupflöcher des alten Testverfahrens ausgenutzt haben? Nur so konnte es schließlich zu diesen Fantasieverbräuchen kommen.

Mock: Auch jetzt können sich die Hersteller durch geschicktes Handeln bei der Umstellung der Messmethoden Vorteile verschaffen und die Reduktionsziele gewissermaßen umgehen.

SPIEGEL ONLINE: Wie das?

Mock: Die Hersteller streben bis 2021 möglichst niedrige Verbrauchs- und CO2-Werte nach der alten Messmethode an, um die Vorgaben zu erfüllen und Strafzahlungen zu entgehen. Gleichzeitig versuchen sie, möglichst viel CO2 nach dem neuen WLTP-Verfahren zu emittieren. Denn der CO2-Ausstoß nach WLTP ist der Bezugswert für die prozentuale Reduzierung bis 2025 beziehungsweise 2030. Das klingt erst mal paradox. Aber wenn der Hersteller mit einem möglichst hohen Wert startet, sind die Anstrengungen, die er ab dann zur tatsächlichen Emissionssenkung unternehmen muss, deutlich geringer.

SPIEGEL ONLINE: Und wie erreichen die Hersteller mutwillig einen hohen WLTP-Wert?

Mock: Ein beliebter Trick könnte beispielsweise die Softwareabstimmung des Automatikgetriebes werden. Die Schaltvorgänge werden noch auf den alten Zyklus optimiert, erzielen dort also niedrige Werte. Gleichzeitig führen sie im WLTP zu höheren Verbräuchen. Lässt der Hersteller das Fahrzeug im Jahr 2021 mit einem hohen Wert zu, kann er die Software anschließend ändern - was nicht verboten ist. Im Folgejahr wird das Modell dann mit einem neuen, deutlich niedrigeren Wert zertifiziert. Alleine durch diesen simplen Trick hat der Hersteller dann einen guten Anteil der Reduktion schon geschafft, die er bis 2025 erbringen muss. Aber es gibt noch eine weitere Möglichkeit.

SPIEGEL ONLINE: Die da wäre?

Mock: Sie ist noch einfacher, weil die Hersteller lediglich ein administratives Schlupfloch nutzen. Bei der Zertifizierung der Flotte nach dem neuen Testzyklus WLTP darf ein Hersteller den niedrigsten Messwert angeben. Allerdings kann er auch einen beliebig höheren Wert mitteilen, eine Möglichkeit, die bisher keine Automarke in Betracht gezogen hat. Für die Kunden wäre das unschön, denn die Kfz-Steuer bemisst sich künftig nach dem WLTP-Wert und Autofahrer müssten dementsprechend mehr zahlen. Ich vermute, dass gut die Hälfte der angestrebten CO2-Reduzierung durch Tricksereien der Hersteller verloren gehen wird.

SPIEGEL ONLINE: Wie sähe Ihre Lösung aus, um die Tricksereien zu unterbinden?

Mock: Aus meiner Sicht sind die prozentualen Reduktionsziele tatsächlich kontraproduktiv. Eine Möglichkeit, die auch der ADAC favorisiert, wäre es, den neuen WLTP zwar einzuführen, aber bis 2025 parallel noch nach dem alten Prüfverfahren zu messen. Bis dahin hätte man dann Erfahrungswerte gesammelt und könnte auf dieser Basis den Zielwert für das Jahr 2025 technisch fundiert in WLTP umrechnen.

SPIEGEL ONLINE: Was vermissen Sie am meisten im Vorschlag der EU-Kommission?

Mock: Einen Bonus für Hersteller, die kleinere und leichtere Fahrzeuge bauen. Das aktuelle System erlaubt der Autoindustrie für ihre schweren Fahrzeuge einen höheren CO2-Ausstoß. Das hemmt nicht nur den Einsatz von Leichtbau, sondern führt sogar zu einem Anreiz, schwerere Autos zu bauen, die mehr Sprit verbrauchen.

SPIEGEL ONLINE: Unterstützt die Bundesregierung die Pläne der EU-Kommission?

Mock: Derzeit gibt es keine einheitliche Position der Regierung. Das Umweltministerium schlägt eine Verschärfung des Kommissionsvorschlags vor, mit einer CO2-Reduktion von 50 statt 30 Prozent über die gesamte Fahrzeugflotte bis 2030. Unterstützung erhält Umweltministerin Svenja Schulze auch vonseiten des Bundesfinanzministeriums, das hohe Strafzahlungen für Deutschland fürchtet, falls das Klimaschutzziel in 2030 verfehlt wird. Auf der anderen Seite stehen Bundesverkehrsministerium und das Bundeswirtschaftsministerium einer Verschärfung kritisch gegenüber und fürchten um die Zukunft des Verbrennungsmotors.

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